(5.2)  Jugenstil – Vorbemerkung 

Der Gründerzeitstil in seinen zahlreichen Spielarten prägte die Architektur ein halbes Jahrhundert lang und diese Stilprägung hinterließ in beachtlichem Umfang im Kleinen wie im Großen Bauten, von denen noch heute eine dominierende und auch faszinierende Wirkung ausgeht. Anfang des 20. Jahrhunderts kamen indessen Bestrebungen auf, neue Stile zu entwickeln, dem Gründerzeithistorismus etwas bahnbrechend Neues entgegenzusetzen und ihn dadurch allmählich zu überwinden. Die wirksamsten und erfolgreichsten Architekturströmungen dieser Zeit waren der Jugendstil einerseits und die Reformarchitektur (HOFER 2005) andererseits. Beiden Richtungen gelang es, eine jeweils eigenständige, neuartige Stilbildung zu entwickeln.

Der Jugendstil löste die historisch geprägte Formensprache und die stark geometrische Linienführung auf. Kurvige Linien, von biologischen, sogar menschlichen Formen inspiriert, konnten sich frei wuchernd entfalten. Andererseits blieb der Jugendstil auch traditionalistisch, indem die Grundstrukturen der Grundrisse und Fassaden zumeist nicht angetastet wurden. So hatten Jugendstileinflüsse zumeist nur dekorative Funktion bzw. verwirklichten sich in der Gestaltung von Details. Nach dem ersten Weltkrieg konnte der Jugendstil an seine Vorkriegsbedeutung nicht mehr anknüpfen. Es wurde anders gebaut. Lediglich auf dem Gebiet der Grafik behielt er noch Bedeutung. 

Der Jugendstil wie auch der Reformstil haben in Greiz deutlich wahrnehmbare und sehenswerte Spuren hinterlassen. Man ging auch beim Bauen in Greiz mit der Zeit mit, verschloss sich nicht modernen Anregungen und schuf zukunftsweisende Gebäude. Damit ging die Wirkung des Gründerzeitstils unwiderruflich zu Ende. Mit Ende des I. Weltkrieges und Abschaffung der Monarchie gab es keine Neuschöpfung im Gründerzeitstil mehr. Es begann eine lange Zeit, in der der Gründerzeithistorismus als altmodisch, überladen, unschön und wenig kreativ angesehen wurde. Diese Abwertung hatte durchaus ihre positive Funktion im Prozess der Hinwendung zu Neuem. Nachdem hundert Jahre vergangen sind, ist freilich die Zeit gekommen, auch die positiven Leistungen des Gründerzeithistorismus anzuerkennen und zu bewahren. Das bedeutet nicht, den Jugendstil und den Reformstil gering zu schätzen. Deshalb zeigen wir hier auch einige Beispiele dieser seinerzeit neuartigen Schöpfungen, die die Entwicklung voranbrachten in Richtung Moderne. 

Quellen:
Hofer, Sigrid: Reformarchitektur 1900-1918. Stuttgart 2005
WIKIPEDIA: Stichwort Reformarchitektur, Stichwort Jugendstil, 2012