(2.1.13) Villa Gustav Wagner
Anschrift: Greiz, Rosa-Luxemburgstraße 29
Baujahr: 1882
Bauherr: Gustav Wagner (1844-1894), Kaufmann, Fabrikant,
Mitinhaber der Firma „Schulze & Wagner“ → Grabstätte Gustav H. Wagner
Architekt: Eduard Neimann, Leipzig
Bauausführung: Heinrich Hoffmann, Maurermeister Greiz
jetzige Besitzverhältnisse: privat
Nutzung: Wohn- und Geschäftsräume
Diese Villa ist ein überaus repräsentatives Gebäude. Die Gelbklinkerfassade
ist besonders reich mit wertvollen Sandsteinelementen verziert.
Das Eckgebäude steht mit zwei Fronten unmittelbar an der Straße. Die Ecke des Hauses ist abgeschrägt und durch einen majestätischen Sandsteinerker besonders ausgezeichnet.
Das Fenster des Erkers ist von Säulen flankiert und
an der oberen Rundung mit Halbreliefputten geschmückt.
Die Fenster des Obergeschosses sind aufwändig überdacht.
Unter dem Gebälk, zwischen den Bodenfenstern verläuft ein Zierfries aus Sandstein.
An der linken Kante des Gebäudes befindet sich der
ganz in Sandstein gehaltene Eingangsbereich.
Der Treppenaufgang hat ein riesiges bleiverglastes Fenster.
Das Dach des Treppenhauses ist mit Kolonnaden geschmückt,
die den Höhenunterschied zum Haupttrakt des Gebäudes ausgleichen.
Einfahrt und Zaun sind nicht original.
Die Gartenfront ist noch reicher geschmückt als die Straßenseite.
Der Risalit ist ganz in Sandstein gehalten. Säulen, Figuren und Kolonnaden
schmücken die Fassade.
Der Fahrstuhlturm auf dem Dach ist höchst unpassend für den
grandiosen Eindruck der Gartenfront.
Betrachten wir die Gartenfassade etwas näher:
Wir sehen eine Fassadengestaltung von überwältigender Schönheit und Pracht.
Sandsteinrosette
Fassadenteil rechts neben dem Mittelrisalit
Besonders hervorzuheben als Rarität die originalen Schutzgitter an den
Fensterbänken für die Blumenkästen.
Es ist beeindruckend, wenn alles zusammenpasst.
Sogar der originale Fensterrahmen ist noch vorhanden, nach 120 Jahren.
Hauptgesims mit Gebälk, Zahnleiste, Ornamentfries zwischen den Mezzaninfenstern
Auf dem Schlussstein entdecken wir ein „N“. Es steht für „Neimann“, Name des Architekten.
Zwei Jungfrauen halten Lorbeerkränze über dem Schlussstein.
Das ist hohes Lob für den Architekten, verdientermaßen.
Detail einer Eckgestaltung
Tympanon über dem Treppenhaus
Eichenblätterornament über den Rundbögen
Türbogen mit Lorbeerornamenten und Akanthusblatt am Schlussstein
Fenstervergitterung im Sockelbereich
Löwenhaupt
Unter dem Erker
Ausgang zum Garten
Detail der Türverglasung mit Schmuckgitter
Konsole mit Löwenhaupt
Fassadendetail mit Konsolen
Rundfenster mit aufwändiger Sandsteineinfassung
Ornamenttafel mit Füllhörnern, den Wahrzeichen des Reichtums
Giebel des Mittelrisalits, wird von Karyatiden getragen.
Auf der Kartusche im Tympanon der lorbeergesäumte Merkurstab
mit den Schlangen, Sinnbild des Kaufmannsstandes
Rechte Karyatide
Linke Karyatide
Tafel mit Feston
Fußabtreter am Portal Rosa-Luxemburg-Straße
Ansicht aus Richtung Südwest
Im Jahr 2010 war die damalige Besitzerin des Gebäudes so freundlich, uns innere Räumlichkeiten zu zeigen. Es gibt noch viel an Restaurierungsarbeiten zu leisten. Deshalb ist manches unfertig. Dennoch ist die Pracht des gründerzeitlichen Innenausbaues zu erkennen
und unbedingt sehenswert:
Stuckarbeiten:
Die kontrastreiche Farbwahl einer früheren neuzeitlichen Ausmalung kann nicht überzeugen.
Florales Stuckdetail
Ornamentband
Stuckkassetten, Stuckeinfassung der Deckenleuchte
Kreuzungspunkt der Deckenkassetten. Durch wiederholten Farbauftrag
in der Vergangenheit wurde der Stuck bis zur Unkenntlichkeit verklebt.
Nahaufnahme der Stuckeinfassung für Deckenleuchte
Eckgestaltung mit floralem Ornament im Eck
Prachtvolle Stuckecke
Detail der Überleitung von der Wand zum Plafond
Untergliederung der Decke in Felder unterschiedlicher Form
Rosette
Stuck sowie Reste alter Bemalung
Rosette umgeben von stilvollen alten Bemalungen
Rosette mit farblich betontem Saum
Stuckpartie mit kontrastreicher Einfassung, wie sie ursprünglich nicht zu finden war.
Durchblick durch Erkerfenster
Fenstergriff
Großes Treppenhausfenster
Mäanderband und Füllungsgitter
Füllungsgitter der Innentür
Mäanderband in Nahaufnahme
Metallene Rosette
Rosette in Nahaufnahme mit Prägezahl
Nebentür zum Garten. Sie wurde hergerichtet und ist ein sichtbares Zeichen
nach außen, dass Restaurierungsarbeiten im Gange sind.
Füllungsgitter der Nebentür
Schmiedeeisernes Geländer im Treppenhaus. Der ursprüngliche Handlauf fehlt.
Geländerstreben in Nahaufnahme
Detail des Geländers
Blumengitter auf dem Fensterbrett
Detail des Blumengitters
Geschmiedetes Akanthusblatt
Gitter am Kellerabgang
Wandgemälde Amalfiküste, Süditalien
Wandgemälde, Landschaft auf der griechischen Insel Korfu
Wandgemälde einer jungen Frau in südländischer Tracht
Reste originaler Bemalung:
Deckenmalerei
Obwohl die Malerei stark beschädigt ist, vermittelt sich doch einen
Eindruck von der prachtvollen ursprünglichen Ausmalung der Räume.
Arkaden im Treppenhaus
Monolithischer freitragender Granitblock im Treppenhaus
Säulenkapitell
Fliesen mit eingeritzter Mosaikstruktur
Fliesenboden mit Ornamentsaum
Ornamentfliesen in Nahaufnahme
Fußbodenmosaik im Treppenhaus
Fußbodenmosaik, Eckgestaltung mit Ornament in Form eines einfachen Flechtbandes
Detail des Flechtbandes
Wir danken Frau Müller-Wenzel für die freundliche Erlaubnis im Inneren der Villa Aufnahmen machen zu dürfen.
Stand 2010
Wir zeigen zwei Bauzeichnungen aus dem Jahre 1882. Wir sehen die Straßenansicht zur
Rosa-Luxemburg-Straße und die Gartenansicht nach Osten.
Die Zeichnungen spiegeln im Wesentlichen das wider, was ausgeführt wurde und heute noch zu sehen ist. Unterschiede finden wir insbesondere auf dem Dach. Dort fehlen die schmückenden schmiedeeisernen Firstgitter sowie der Fahnenmast. Natürlich war der jetzt das Dach „zierende“ Fahrstuhlturm, der nachträglich in neuerer Zeit eingebaut wurde, vom Baumeister nicht vorgesehen.
Zum Vergleich zeigen wir ein historisches Foto. (BLASE)
Das undatierte Foto stammt aus den Anfangsjahren des XX. Jahrhunderts. Es zeigt links, mit nordöstlicher Blickrichtung, übers Eck fotografiert, Villa Gustav Wagner. Auf dem Dach erkennen wir eine Fahnenstange sowie Firstgitter. Die Fenster sind mit Jalousien versehen. Am östlichen Ende des Gebäudes ist die damalige Einfriedung des Gartengrundstückes zu sehen, die heute nicht mehr existiert. Im Hintergrund auf der Anhöhe, etwa in der Mitte des Bildes ist das Odd-Fellow-Heim zu erkennen. Es war damals noch nicht von höheren Bäumen umstanden und ist deshalb frei sichtbar.
Die Villa Wagner ist ein hervorragendes Beispiel gründerzeitlicher Villenarchitektur in Greiz. Sie verdient ganz besondere Pflege und Beachtung. Besucher der Stadt Greiz sollten sich unbedingt dieses Gebäude anschauen. Es ist sehenswert.
Wir danken Frau Müller-Wenzel für Ihre Zustimmung zur Veröffentlichung der beiden vorstehenden Bauzeichnungen.
Stand 2010
Zur Geschichte der Villa
Die Villa wurde von dem Ehepaar Hermine Friederike Wagner, geb. Schulze und
Gustav Hermann Wagner erbaut.
Wollfabrikant Gustav Wagner wurde 1844 in Greiz geboren und starb 1894 im Alter von 50 Jahren an Tuberkulose in seinem Heimatort Greiz.
Seine Ehefrau Hermine wurde 1846 in Greiz geboren und verstarb im Alter von 68 Jahren im Jahre 1915 in Greiz. Beide sind in einem gemeinsamen Grab auf dem neuen Friedhof in Greiz bestattet. Dieses Grab existiert noch. → Grabstätte Gustav H. Wagner
Das Paar heiratete 1867. Aus der Verbindung gingen neun Kinder hervor.
Hermine Wagner stammte aus einer Fabrikantenfamilie. Ihr Vater, Carl Franz Schulze, gründete die Fa. Schulze & Söhne (Weberei). Er war Gründungsmitglied der Greizer Bürgererholung.
Hermines Bruder Eduard Wilhelm Schulze gründete 1865 die Weberei Eduard Schulze. Noch im gleichen Jahr wurde sein späterer Schwager, Gustav Hermann Wagner Mitinhaber. Die Firma trug nunmehr die Bezeichnung Schulze & Wagner, Weberei.
1885 ließ sich Eduard Schulze von Gustav Wagner auszahlen und schied somit aus der gemeinsamen Firma aus. Gustav Wagner wurde Alleininhaber. Die Firma entwickelte sich erfolgreich weiter. Nach Fertigstellung des Wohnhauses (jetzt Rosa-Luxemburg-Straße 29) hatte sie ihren Sitz unter dieser Anschrift. In den hinteren östlichen Arealen des Grundstücks wurde 1891 ein neues Fabrikgebäude errichtet. → Firmengebäude Schulze & Wagner
Nach dem Tod ihres Ehemannes Gustav Wagner 1894 war Hermine Wagner bis 1901 Inhaberin der Firma. Auch die Söhne Berthold, Ludwig und Reinhard waren hier tätig.
Im Jahre 1901 übernahm die Weberei Fa. Franz Pucher das Fabrikgebäude Rosa-Luxemburg-Straße 29. → Villa Pucher
1902 erwarben die Eheleute Landgerichtsrat Dr. Franz Hetzheim und Clara Hetzheim, geb. Albert, Wohnhaus und Grundstück Rosa-Luxemburg-Straße 29.
Nach dem Verkauf der Immobilie wohnte Hermine Wagner am Burgplatz 6 in Greiz.
Wir danken Herrn Dietrich Wagner, Regensburg, für die überlassenen Informationen sowie
für die Fotos von Hermine und Gustav Wagner.
Wir danken auch Herrn Prof. Dr. Klaus Wagner, Würzburg/Winterhausen, der uns Hinweise und Informationen zukommen ließ.
Stand April 2015
Restaurierungsergebnisse
Im September 2016 zeigte uns der neue Besitzer, Herr Uwe Liebold, Greiz, einige Restaurierungsergebnisse in der Villa Wagner.
Mäanderband an einer Innentür
Kunstgeschmiedetes Treppengeländer
Detail des Geländers
Kantige Halbsäule für den Anstrich vorbereitet
Kapitell der Halbsäule
Arkaden mit Rundsäule
Abstützung der Arkaden
Stuckrosette
Freigelegte alte Malerei
Eierstab als Zierleiste
Zierleiste aus Stuck
Nebentreppe für Bedienstete
Stuckdecke mit dreifarbiger Ausmalung
Fensterloses Ende eines Flures, Bemalung mit einem mediterranen Motiv
Mediterranes Motiv, Ausschnitt
Neu verlegtes Parkett
Stuckdetails
Historische Fliesen, sorgfältig gereinigt
Die sehr gut erhaltenen Fliesen wirken nach einiger Pflege wie neu.
Tapete
Historischer Türbeschlag
Restaurierte Türen:
Neue Ausmalung:
Tropfwasserfänger am Fensterbrett
Restaurierte Zimmerpartie mit Verdachung einer Türöffnung,
mit neuer Tapete und Stuckverzierungen
Türverdachung mit schmückenden Profillinien und Zahnleiste
Restaurierte Stuckarbeiten:
Restauriertes Füllungsgitter einer Tür
Teil einer Tür mit Wellenornament, das sich im Mauerwerk fortsetzt
Wellenornament am Mauerwerk
Stuckverzierung an einer Wand im Treppenhaus
Überbrückung einer Kellerfensteröffnung mit Diamantblock als Schlussstein
Restauriertes Fenster mit neuem Rahmen, der dem historischen Vorbild nachgeahmt ist
Restauriertes Fensterkreuz in Nahaufnahme
Kannelierte Flachsäule
Fensterbogen, in den Zwickeln Rankendekor
Fensterbogen, in den Zwickeln Nymphen mit Lorbeerkränzen
Nymphe mit Lorbeerkranz, Nahaufnahme
Löwenhaupt
Gartenfassade, ehemaliger Abgang zum Garten, unter der Sandsteinverkleidung
ist das Fundament aus Schieferblöcken zu sehen
Zentralrisalit der Südfassade, die Fenster der Beletage sind restauriert
Fassadenszene mit den restaurierten Fenstern
Nördlicher Seitentrakt der Gartenfassade mit restaurierten Fenstern
Historisches Bild des Villengartens mit Blick zur Gartenfassade der Villa.
Rechts im Bild ist eine Mauer zu sehen, die den Garten vom Firmengelände trennt.
Von der Gartengestaltung und von der Gartenmauer ist nichts erhalten geblieben.
Soweit man sieht, sind zwei große Fensteröffnungen des Zentralrisalits im Sommer komplett offen gewesen. Es sind die Fenster des Wintergartens mit den mediterranen Malereien.
Architekt Eduard Neimann fertigte zur Bauzeit 1882 einen Situationsplan
des Grundstücks Wagner an.
Auf der Zeichnung wird das Grundstück östlich vom Elsterfluss begrenzt. Das ist so nicht mehr der Fall. Der Fluss wurde nach Richtung Osten verlegt. Dadurch erhielt das Grundstück einen Zuwachs an Fläche. Vorn rechts, an der südwestlichen Ecke, steht das Villengebäude.
Links oben, an der nordöstlichen Ecke, steht das Fabrikgebäude. An der südöstlichen Ecke,
auf dem Bild oben rechts, befand sich der Villengarten.
Wir beobachten weiter den Fortgang der Restaurierungsarbeiten und wünschen ihnen guten Erfolg.
Quellen:
* Wagner, Dietrich: Ahnen- und Familiendatenbank der Familie Dietrich Wagner,
* GeneWeb 1998-2007
* Liebold, Uwe, Greiz: persönliche Mitteilungen und Sammlung historischer Bauunterlagen
zum Wohnhaus Rosa-Luxemburg-Straße 29
* Rudolf, Gottfried: Sammlung historischer Fotos
Stand 2016